Paris

 Paris gilt als Vorreiter unter den Städten, die eine Verkehrswende versuchen. Das Thema ist stark mit der sozialistischen Bürgermeisterin Anne Hidalgo verknüpft und die teilweise hitzige Debatte zum Thema hat mittlerweile vielfach auch international Echo in den Medien gefunden.
Wenn man dann allerdings in die Stadt kommt ist man erstmal verwundert: Nach wie vor wälzt sich ein dichter und unablässiger Strom von Autos mit Verbrennermotor durch die Strassen. Hier und da ist ein Elektroauto darunter - die Ladestruktur für sie scheint aber keineswegs dichter geknüpft als in Deutschland. Und auch die Anzahl der Fahrräder scheint allerhöchstens auf dem Niveau einer Stadt in Deutschland. Die immer wieder genannte Sperrung der Strasse am Seineufer ist nüchtern betrachtet ebenfalls nicht sehr beeindruckend, hat allerdings immerhin einen hohen Symbolwert.
Die Veränderungen sind eher auf den zweiten Blick (und wenn man weiss, was der Ausgangszustand kennt) erkennbar: Paris war lange Zeit eine absolute Autostadt - Radfahren gehörte in Frankreich seit jeher zu den beliebtesten Sportarten - war aber genau das: Eine Sportart und kein Mittel zur Fortbewegung. In den 80ern und 90ern kam niemand (und das ist quasi wörtlich zu nehmen) auf die Idee sich in der Innenstadt von Paris mit dem Fahrrad fortzubewegen. Insofern ist es als Fortschritt zu sehen, wenn Fahrradfahrer*innen mittlerweile zum Stadtbild gehören. Daran Anteil hat auch das öffentliche Fahrradverleih-System Vélib. Und auch an der Verkehrsführung kann man sehen, dass seit einiger Zeit das Fahrrad als eigenständiges Verkehrsmittel mitgedacht wird.
Wie viele Städte, die versuchen Raum von den Autos zurückzugewinnen gibt es im erweiterten Innenstadtbereich quasi keine kostenlosen Parkplätze. Das trifft natürlich erstmal die nicht so gut betuchten Autofahrer*innen - ist aber wahrscheinlich als grundsätzliche Massnahme absolut notwendig. Dies hat auch einigen Verkehr auf die Motorroller verlagert wofür es auch ein öffentliches Leih-System gibt. Für uns ungewöhnlich auch der Anblick von offensichtlich gut betuchten Leuten, die sich neben dem Auto einen Scooter für die Innenstadtfahrten leisten. Der erweiterte Innenstadtbereich ist auch Umweltzone - ob das kontrolliert wird konnten wir nicht nachvollziehen.
Das absolute Prunkstück des autofreien Verkehrs in Paris fällt aber nicht sofort ins Auge, da es unterirdisch glänzt: Die Metro bietet eine Taktung von nur 90 Sekunden zwischen den Zügen auf den beliebtesten Strecken, ein Abstand von im Schnitt nur 500 Metern zwischen den Stationen und eine Pünktlichkeit von auf einigen Strecken buchstäblichen 100%. Wir fühlten uns auch mit 2 Kindern absolut mobil innerhalb eines recht grossen Bereichs um den Stadtkern und fanden auch die Preisgestaltung nachvollziehbar.
Insgesamt hatten wir ein bischen mehr Inspiration von Paris erwartet - wir waren beide ca. ein Jahrzehnt nicht mehr in der Stadt gewesen und die Unterschiede wirken doch erstmal graduell. Es wurde uns aber auch nochmal bewusst, wie tiefgreifend die Probleme sind und wie weit der der Weg ist, bis man wirklich von einer Verkehrswende sprechen kann.

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